Grenzprodukte im Rahmen der MDR

Grenzprodukte sind Produkte, deren Einstufung als Medizinprodukt gemäß MDR oder als Arzneimittel gemäß der Richtlinie über Humanarzneimittel (MPD) nicht eindeutig ist. Der EU-Rechtsrahmen soll sicherstellen, dass alle auf dem Markt befindlichen Produkte korrekt klassifiziert werden, um die entsprechenden Sicherheits- und Leistungsstandards zu erfüllen. Die MDCG-Leitlinien bieten dabei klare Definitionen, Beispiele und Erläuterungen, um Herstellern, Behörden und weiteren Interessenträgern eine einheitliche Klassifizierungsgrundlage zu geben.

Was sind „Borderline“-Produkte?

Grenzprodukte erfordern eine präzise Klassifizierung, da ihre Einordnung den Konformitätsbewertungsprozess oder die Zulassungsverfahren vor der Markteinführung bestimmt. Solche Produkte müssen geprüft werden, ob sie die Definitionen gemäß Artikel 2(1) MDR für Medizinprodukte oder Artikel 1(2) MPD für Arzneimittel erfüllen. In der Regel unterliegt ein Produkt nur einem dieser Rechtsrahmen – MDR oder MPD –, auch wenn bestimmte Überschneidungen möglich sind, insbesondere bei Produkten mit gemischten Eigenschaften.

Medizinprodukt versus Arzneimittel

Ein wesentliches Merkmal von Medizinprodukten besteht darin, dass sie ihre Hauptwirkung nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel erzielen, auch wenn diese Mechanismen eine unterstützende Rolle spielen können.

Die MPD definiert Arzneimittel dagegen als Substanzen, die zur Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten bestimmt sind und ihre Wirkung primär durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Prozesse entfalten. Der Wirkmechanismus ist somit oft entscheidend für die Abgrenzung: Produkte mit physikalischer Hauptwirkung fallen unter die MDR, während Produkte mit pharmakologischer Hauptwirkung unter die MPD fallen.

Aktualisierte Leitlinien: MDCG 2022-5 Rev. 1

Die jüngste Überarbeitung der Leitlinie MDCG 2022-5 Rev. 1 betrifft Abschnitt 1.2.6.1 und bezieht sich auf Produkte, die zur Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation von Medizinprodukten bestimmt sind. Solche Produkte gelten als Medizinprodukte, wenn sie ausdrücklich für die Vorbereitung anderer Medizinprodukte vorgesehen sind. Diese Klarstellung schließt multifunktionale Desinfektionsmittel aus dem Anwendungsbereich der MDR aus und verweist sie stattdessen auf die Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012.

Klassifizierung von Medizinprodukten

Um festzustellen, ob ein Produkt als Medizinprodukt gilt, müssen Hersteller eine Reihe von Fragen prüfen. Bereits die ursprüngliche Fassung der MDCG 2022-5 sah hierfür ein Entscheidungsdiagramm vor. Zunächst ist zu klären, ob das Produkt einem medizinischen Zweck dient – etwa zur Behandlung oder Diagnose einer Krankheit. Wenn dies zutrifft, ist zu bewerten, ob die beabsichtigte Wirkung nicht primär auf pharmakologische, immunologische oder metabolische Mechanismen zurückzuführen ist. Produkte, die als Zubehör für Medizinprodukte dienen, wie etwa Gleitmittel oder Pflegelösungen für Kontaktlinsen, gelten als Medizinproduktzubehör.

Fallbeispiele für Grenzprodukte

Die MDCG führt konkrete Beispiele für Grenzprodukte an, um die Anwendung der Leitlinien zu verdeutlichen. Typische Medizinprodukte sind etwa Knochenzemente, Zahnfüllmaterialien, Wundauflagen oder bestimmte Sterilisationslösungen. Arzneimittel umfassen hingegen Spermizide, Anästhesiegase und diagnostische Mittel in vivo wie Röntgenkontrastmittel. Pflanzliche und substanzbasierte Medizinprodukte, die in den Abschnitten 3 und 4 der Leitlinie beschrieben werden, erhöhen zusätzlich die Transparenz in der Klassifikation.

Substanzbasierte Medizinprodukte

Eine besondere Herausforderung stellt die Klassifizierung von Medizinprodukten dar, die arzneiliche Substanzen enthalten. Solche Produkte können gemäß MDR als Medizinprodukte gelten, sofern ihre Hauptwirkung physikalisch bleibt. Beispiele sind Wundauflagen, die eine geringfügige antiseptische Substanz enthalten, deren pharmakologische Wirkung jedoch nur unterstützenden Charakter hat und die physikalische Hauptwirkung des Produkts nicht verändert.

Auswirkungen für Hersteller und Benannte Stellen

Hersteller müssen die Klassifizierung ihrer Produkte wissenschaftlich begründen und diese Begründung in der technischen Dokumentation mit Nachweisen zur Sicherheit und Leistung untermauern. Enthält ein Produkt eine üblicherweise als arzneilich eingestufte Substanz, ist eine zusätzliche regulatorische Prüfung erforderlich. Benannte Stellen spielen hierbei eine zentrale Rolle, insbesondere bei Hochrisikoklassen, die eine detaillierte Bewertung verlangen. Die MDR schreibt eine dokumentierte Überprüfung der Klassifizierungskriterien vor, um Fehleinstufungen oder Verzögerungen zu vermeiden.

Für Produkte mit unklarer Klassifikation, etwa bei Kombinationen mit Hilfssubstanzen, ist die Übereinstimmung mit MDR und MPD entscheidend. Die überarbeiteten MDCG-Leitlinien spiegeln das Bestreben der EU wider, diese Rahmenbedingungen zu harmonisieren und sicherzustellen, dass Produkte ihrem vorgesehenen Zweck dienen, ohne die Patientensicherheit zu gefährden. Diese Harmonisierung trägt zudem dazu bei, regulatorische Doppelanforderungen zu vermeiden und die Marktzulassung effizienter zu gestalten.

Zusammenfassung

Die MDCG-Leitlinien zu Grenzprodukten leisten einen wichtigen Beitrag zur konsistenten Anwendung der MDR in der gesamten EU. Durch klare Definitionen und Kriterien unterstützt die MDCG 2022-5 Rev. 1 Hersteller und Behörden bei der einheitlichen Klassifizierung von Medizinprodukten und Arzneimitteln. Die Leitlinie stärkt die Rechtssicherheit, verbessert die Marktzugänge und trägt zu einem höheren Maß an Patientensicherheit bei.

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