Die Europäische Kommission hat ein Änderungspaket verabschiedet, das die Liste der Beschränkungen für CMR-Stoffe (karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) in Produkten auf dem EU-Markt erweitert.
Für den MedTech-Sektor bedeutet dies die Notwendigkeit, Materialien zu überprüfen, das Fehlen sichererer Alternativen zu belegen und die technische Dokumentation im Hinblick auf die Konformität mit MDR – insbesondere Anhang I (GSPR) und Artikel 10 – zu aktualisieren.
Was sind CMR-Stoffe und warum betreffen sie Medizinprodukte?
CMR-Stoffe sind Substanzen, die als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft werden.
Ihre Risiken umfassen u. a.:
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die Entstehung von Krebs,
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dauerhafte genetische Veränderungen,
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sowie nachteilige Auswirkungen auf Fruchtbarkeit und fetale Entwicklung.
Bei Produkten mit Körperkontakt – etwa Implantaten, Kontaktlinsen oder Langzeitanwendungen – ist die Exposition direkt, weshalb der Gesetzgeber verlangt, dass der Hersteller nachweist, dass:
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die Verwendung technisch notwendig ist, und
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das Risiko soweit wie möglich reduziert wurde.
Was ändert die Verordnung (EU) 2025/1731 konkret?
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Erweiterung der Beschränkungsliste: Neue CMR-Stoffe werden aufgenommen; die Anwendung in bestimmten Produktkategorien wird präzisiert.
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Strengere Informationspflichten: Etiketten und Gebrauchsanweisungen (IFU) müssen klar auf das Vorhandensein von CMR-Stoffen, Vorsichtsmaßnahmen und sichere Verwendungsbedingungen hinweisen.
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Berücksichtigung von „Legacy Devices“: Auch Produkte, die gemäß Art. 120 MDR in Übergangszeiträumen in Verkehr gebracht werden, müssen auf CMR-Stoffe überprüft werden.
Konsequenzen für Hersteller (Art. 10 MDR, Anhang I)
Hersteller müssen:
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Risikobewertung aktualisieren (ISO 14971): Neue toxikologische Gefahrenmatrix in die Risikomanagementakte aufnehmen.
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Alternativenbewertung durchführen: Existiert eine sichere Alternative, muss sie verwendet werden; falls nicht, sind technische oder klinische Begründungen zu dokumentieren.
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Klinische Daten ergänzen (Art. 61, Anhang XIV MDR): Nachweisen, dass der Nutzen das Risiko überwiegt und das Sicherheitsprofil unter realen Bedingungen stabil bleibt.
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Etikettierung & IFU aktualisieren: Klare Kennzeichnung der CMR-Präsenz sowie Umwelt- und Anwenderschutzmaßnahmen.
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PMS/PMCF stärken: Der Überwachungsplan nach dem Inverkehrbringen sollte spezifische Sicherheitsindikatoren zu CMR-Exposition enthalten (z. B. Ereigniskarten, Toleranzumfragen).
Gute Umsetzungspraxis
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Überprüfung aller patienten-/anwenderberührenden Komponenten und Identifizierung potenzieller Migrationspfade.
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Toxicological Risk Assessment (TRA): Berechnung tolerierbarer Tagesdosen, Expositionsszenarien und Sicherheitsmargen.
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Änderungsmanagement: Materialänderungen als „wesentliche Änderung“ mit möglicher Auswirkung auf das Zertifikat einstufen (Absprache mit der Benannten Stelle).
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Lieferkettenmanagement: Aktuelle Konformitätserklärungen und Prüfberichte der Lieferanten einholen; alternative Anbieter für kritische Komponenten identifizieren.
Fazit
Kurzfristig bedeutet die neue Verordnung mehr Aufwand durch Materialprüfungen und Dokumentationsanpassungen.
Langfristig schaffen Unternehmen damit größere Vorhersehbarkeit und verbesserte Produktsicherheit.
Ein starker TRA-Prozess und ein transparentes PMS-System minimieren das Risiko regulatorischer Korrekturmaßnahmen und verkürzen die Interaktion mit der Benannten Stelle.