Was ist eine Änderung eines Medizinprodukts im Sinne von MDR und IVDR?
Eine Änderung eines Medizinprodukts ist jede Modifikation des Designs, des Herstellungsprozesses, der Software, von Komponenten oder der Zweckbestimmung, die die Konformität mit der MDR 2017/745 oder der IVDR 2017/746 beeinflussen kann. Jede Änderung erfordert eine Analyse ihrer Auswirkungen auf das bestehende Zertifikat und die technische Dokumentation. Die Bewertung der Änderung muss von der PRRC überwacht werden, die gemäß Art. 15 MDR/IVDR für die Aktualität der Dokumentation verantwortlich ist.
Typische Situationen, die zu Änderungen führen
Die häufigsten Änderungen umfassen Software-Updates, den Wechsel von Komponentenlieferanten, Änderungen in der Produktionstechnologie sowie die Verlagerung von Produktionsstätten.
- Änderung von Software oder Firmware
- Wechsel des Lieferanten von Komponenten oder Rohstoffen
- Änderung des Herstellungsprozesses oder des Standorts
- Anpassung des Designs an neue Leitlinien oder Märkte
Änderungen können auch durch regulatorische Anforderungen entstehen, z. B. Anpassungen an die Registrierung in EUDAMED, Aktualisierungen der UDI-DI oder die Umsetzung der MDR-Änderungen nach Verordnung 2025/1021.
Technische, organisatorische und systemische Änderungen
Eine Änderung kann auch nicht-technische Elemente betreffen – etwa die Aktualisierung der QMS-Dokumentation, organisatorische Umstrukturierungen oder Änderungen in den Vertriebskanälen. Alle Änderungen müssen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Konformität und Zertifizierung bewertet werden. Änderungen innerhalb der Wirtschaftsakteure der Lieferkette müssen als formale Änderungen gemeldet werden, wenn sie die SRN-Nummer oder Daten in EUDAMED betreffen.
Wie unterscheidet man eine wesentliche von einer unwesentlichen Änderung?
Eine Änderung gilt als wesentlich, wenn sie das Design, die klinische Zweckbestimmung, die Funktionsweise oder die Sicherheit des Produkts betrifft. Unwesentliche Änderungen müssen zwar nicht von der Benannten Stelle genehmigt werden, sind aber dennoch zu dokumentieren und in das Qualitätsmanagementsystem zu integrieren. Eine fehlerhafte Einstufung einer wesentlichen Änderung als unwesentlich kann bei Zertifizierungs- oder Überwachungsaudits zur formalen Nichtkonformität führen.
MDCG 2020-3 rev.1
Das Dokument MDCG 2020-3 rev.1 enthält Kriterien für die Einstufung von Änderungen. Als wesentlich gilt jede Modifikation, die Einfluss auf Funktion, Design oder Zweckbestimmung hat. Es wird empfohlen, die Bewertung gemäß dem im Anhang enthaltenen Entscheidungsdiagramm durchzuführen.
Beispiele für wesentliche Änderungen
Änderungen mit erheblichem Einfluss auf Sicherheit oder Leistung müssen der Benannten Stelle gemeldet und vor der Umsetzung genehmigt werden.
- Hinzufügen einer neuen klinischen oder diagnostischen Funktion
- Verlagerung der Hauptproduktionsstätte
- Wechsel eines kritischen Komponentenlieferanten
- Änderung des Steuerungsalgorithmus oder der Benutzeroberfläche
Für IVD gilt auch die Aktualisierung von Messmethoden oder diagnostischen Parametern als wesentliche Änderung, wenn sie die Leistungsdaten beeinflusst.
Beispiele für unwesentliche Änderungen
Unwesentliche Änderungen haben keinen Einfluss auf Sicherheit oder Leistung, müssen aber in der technischen Dokumentation und im QMS dokumentiert werden.
- Änderung des Formats der Gebrauchsanweisung ohne inhaltliche Anpassung
- Anpassung des Produktcodes ohne Änderung der Spezifikationen
- Bearbeitung der Kennzeichnung gemäß UDI ohne Auswirkungen auf die Sicherheit
Bewertung einer Änderung – Schritt-für-Schritt-Verfahren
Jede Änderung muss einen formalen Konformitätsbewertungsprozess durchlaufen. Der Schlüssel liegt in der Analyse der Auswirkungen auf das MDR-/IVDR-Zertifikat, insbesondere im Hinblick auf die Übergangsvorschriften in Art. 120 MDR. Nach MDCG 2021-25 können wesentliche Änderungen bei MDD-/AIMDD-zertifizierten Produkten eine vollständige Konformitätsbewertung erforderlich machen.
Analyse der Auswirkungen auf das Zertifikat
Der Hersteller muss prüfen, ob die Änderung die im aktuellen Zertifikat enthaltenen Daten verändert. Ist dies der Fall, ist die Einbindung der Benannten Stelle zwingend erforderlich.
Rolle der Benannten Stelle
Bei Produkten höherer Klassen als Klasse I müssen wesentliche Änderungen von der Benannten Stelle genehmigt werden. Dazu übermittelt der Hersteller die Änderungsanalyse, aktualisierte Dokumentation und eine Begründung für die fehlende Auswirkung auf die Sicherheit (falls zutreffend).
Erforderliche Dokumentation
Die für die Änderungsbewertung vorzubereitende Dokumentation sollte enthalten:
- Change Assessment Form mit Begründung
- Aktualisierte Technische Dokumentation
- Antrag an die Benannte Stelle (falls erforderlich)
Darüber hinaus ist eine Aktualisierung der QMS-Dokumente sowie ggf. der PMS- und PMCF-Pläne erforderlich.
Typische Fehler von Herstellern bei Änderungen
Fehlerhafte Änderungsbewertungen können zum Verlust der Zertifizierung, zur Wiederholung des Konformitätsverfahrens oder zu administrativen Sanktionen führen.
Unterlassene Meldung wesentlicher Änderungen
Viele Hersteller setzen Änderungen um, ohne sie vorher zu bewerten – dies kann zum Verlust des Zertifikats und zur erneuten Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens führen.
Fehlerhafte Einstufung der Änderung
Eine fehlende Bewertung gemäß MDCG 2020-3 kann zu einer falschen Klassifizierung führen – mit der Folge einer Nichtkonformität mit MDR/IVDR.
Diskrepanzen zwischen Dokumentation und Realität
Änderungen müssen in der Technischen Dokumentation erfasst und in das QMS integriert werden. Inkonsistenzen gehören zu den häufigsten Gründen für negative Auditergebnisse.
Aktualisierung der technischen Dokumentation und des Qualitätsmanagementsystems
Jede Änderung – unabhängig von ihrer Wesentlichkeit – muss formal in der Dokumentation und im QMS erfasst werden. Nur so kann die kontinuierliche Konformität mit MDR/IVDR sichergestellt werden.
Aktualisierung der technischen Dokumentation
Änderungen müssen in der Technischen Dokumentation mit Versionsnummer, Datum und Änderungsumfang nachvollziehbar dokumentiert werden. Bei IVD-Produkten umfasst dies auch die Aktualisierung des Performance Evaluation Plan und der Leistungsdaten (PER).
Integration von Änderungen ins QMS
Das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 13485 muss ein Verfahren zum Änderungsmanagement enthalten, das Risikobewertung, Dokumentation und interne Freigabe umfasst. Benannte Stellen prüfen bei Audits die Konsistenz zwischen den eingeführten Änderungen, dem QMS und dem Änderungsregister (Change Log).
Konformität mit MDR und IVDR nach Änderungen
Eingeführte Änderungen dürfen die Konformität mit MDR oder IVDR nicht beeinträchtigen. Die Aktualität der Dokumentation und ein konsistentes QMS sind Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Zertifizierung.
Wie unterstützt Pure Clinical Hersteller bei der Bewertung und Umsetzung von Änderungen?
Pure Clinical unterstützt Hersteller bei der Analyse von Änderungen im Kontext von MDR/IVDR und MDCG. Wir bieten:
- Klassifizierung der Änderung gemäß MDCG 2020-3 rev.1
- Bewertung der Auswirkungen auf Zertifikat und technische Dokumentation
- Vorbereitung von Formularen und Kommunikation mit der Benannten Stelle
- Überprüfung der Konsistenz mit QMS und ISO 13485
- Integration von Änderungen in PMS-/PMCF-Pläne sowie in die EUDAMED- und UDI-DI-Dokumentation