Regulatorischer Kontext der MDCG-Aktualisierung und Bedeutung für Hersteller medizinischer Software

Seit ihrer Erstveröffentlichung im Jahr 2019 dient die MDCG 2019-11 als Auslegungshilfe für Hersteller und Benannte Stellen zur Qualifikation und Klassifizierung von Software als Medizinprodukt (MDSW). Der dynamische Wandel im Markt für digitale Medizinprodukte – insbesondere KI-gestützte und Cloud-basierte Lösungen – machte nun eine Revision der bisherigen Annahmen erforderlich.

Die neue Fassung (Rev. 1, Juni 2025) ändert kein Primärrecht, liefert jedoch den lange erwarteten interpretativen Kommentar zum MDR, insbesondere zur Klassifizierungsregel 11. Zudem wurden zahlreiche Praxisbeispiele ergänzt und Verweise auf IMDRF sowie EHDS aufgenommen.

Vergleich der Versionen 2019 vs. 2025: Was ist neu?

In der überarbeiteten Version wurden unpräzise Formulierungen entfernt und Lücken geschlossen – insbesondere bei:

  • Klassifizierung modular aufgebauter Systeme,

  • Software zur Unterstützung therapeutischer Entscheidungen,

  • APIs, die selbst keine Daten verarbeiten, aber den Zugang zu medizinischen Funktionen steuern,

  • der Abgrenzung Embedded- vs. Standalone-Software.

Während 2019 vor allem allgemeine Definitionen und ein einzelnes Flussschema dominierten, bietet 2025 eine Entscheidungsmatrix, konkrete Use-Cases, Bezüge zum klinischen Risiko sowie Abhängigkeiten zwischen MDSW und dem physischen kooperierenden Produkt.

Neue Anforderungen an die Definition des „intended purpose“

Hervorgehoben wird die Notwendigkeit einer eindeutigen, spezifischen und technisch präzisen Zweckbestimmung. Eine zu weite oder unklare Definition kann zu Fehlklassifizierungen und damit zu schwerwiegenden MDR-Nichtkonformitäten führen.

Auslegung der Regel 11 MDR – ein erweitertes risikobasiertes Vorgehen

Die Leitlinie erweitert die Interpretation der Regel 11, indem Software nicht nur nach klinischem Einfluss (Diagnose, Therapie) betrachtet wird, sondern zusätzlich nach:

  • Abhängigkeit klinischer Entscheidungen vom System,

  • Risikotyp bei Systemausfall,

  • kompensierenden Mechanismen (z. B. Nutzer-Validierung),

  • Zugriff auf Echtzeitdaten.

Konsequenz: Gleiche medizinische Funktion, aber unterschiedliche Risikoklassen – abhängig von technischer Implementierung und Automatisierungsgrad.

Auswirkungen für Hersteller und Benannte Stellen

Für Hersteller bedeutet dies u. a.:

  • Überprüfung bestehender MDSW-Klassifizierungen,

  • erneute Risikoanalyse im Lichte der neuen Beispiele,

  • Anpassung der Technischen Dokumentation an breitere Interpretationsszenarien.

Benannte Stellen erhalten klarere Interpretationsrahmen für konsistentere Entscheidungen und eine bessere Begründbarkeit von Klassifizierungen in Auditunterlagen.

Fazit

Die neue MDCG 2019-11 (Rev. 1, 2025) ist ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung des Umgangs mit Software als Medizinprodukt. Sie weist zugleich den zukünftigen regulatorischen Kurs: eine engere Kopplung an Risiko, klinische Funktion und Nutzungsszenarien.