Was ist die klinische Bewertung von Medizinprodukten?

Klinische Bewertung ist ein Prozess der systematischen Analyse und Beurteilung klinischer Daten mit dem Ziel nachzuweisen, dass ein Medizinprodukt die Anforderungen an Sicherheit, Leistung und Wirksamkeit entsprechend seiner Zweckbestimmung erfüllt. Dieser Prozess ist für alle Produktklassen verpflichtend und durch die Verordnung MDR 2017/745 geregelt. Die klinische Bewertung muss dokumentiert, kontinuierlich und wissenschaftlich fundiert durchgeführt werden.

Rechtsgrundlagen und Dokumentationsbasis der klinischen Bewertung

Die Anforderungen an die klinische Bewertung sind in Art. 61 MDR sowie in Anhang XIV festgelegt. Der Hersteller muss die klinische Bewertung sowohl vor dem Inverkehrbringen als auch im Rahmen der Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS) durchführen. Die Ergebnisse werden im CER (Clinical Evaluation Report) dokumentiert, der einen integralen Bestandteil der Technischen Dokumentation bildet.

Quellen klinischer Daten für die Bewertung

Klinische Daten können stammen aus:

  • wissenschaftlichen Publikationen zu vergleichbaren Produkten,
  • eigenen klinischen Prüfungen des Herstellers,
  • PMCF-Berichten und Daten aus der realen Versorgung,
  • medizinischen Registern und Incident-Datenbanken,
  • Fachliteratur und Analysen zum Stand der Technik (State of the Art).

Bedeutung der klinischen Bewertung für die Zertifizierung

Die klinische Bewertung ist Grundlage für die CE-Kennzeichnung und den Nachweis der MDR-Konformität. Sie belegt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis, bestätigt die Leistung des Produkts unter Praxisbedingungen und identifiziert potenzielle unerwünschte Ereignisse. Für Produkte der Klassen IIb und III sowie aktive Implantate ist die Einbindung einer Benannten Stelle erforderlich.

Phasen der Durchführung der klinischen Bewertung

Der Prozess umfasst 6 Schritte:

  1. Festlegung der Zweckbestimmung und klinischen Indikationen,
  2. Literaturrecherche und Identifikation vergleichbarer Produkte,
  3. Einholung klinischer Daten (Studien, PMS, Register),
  4. Prüfung der Konformität mit den GSPR (Anhang I MDR),
  5. Erstellung des CER gemäß Anhang XIV MDR,
  6. Aktualisierung der Daten im Rahmen des PMCF.

Anforderungen an klinische Daten

Klinische Daten müssen:

  • objektiv, vollständig und evidenzbasiert sein,
  • die Zielpopulation und die vorgesehenen Anwendungsbedingungen abdecken,
  • dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen,
  • gemäß den MDCG-Leitlinien (z. B. MDCG 2020-13) aufbereitet sein.

Rolle des Herstellers und des klinischen Teams

Der Hersteller ist für Planung und Durchführung der klinischen Bewertung verantwortlich. Dies kann intern erfolgen oder an einen erfahrenen Partner – z. B. eine CRO (Contract Research Organization) – vergeben werden. Verantwortliche Personen sollten Erfahrung in der Analyse klinischer Daten, fundierte MDR-Kenntnisse und die Fähigkeit besitzen, Ergebnisse im Kontext der GSPR zu interpretieren.

Häufige Fehler und Risiken bei der klinischen Bewertung

Typische Fehler sind:

  • unvollständige Vergleichsdaten,
  • unzureichende Nachweise zur klinischen Leistung,
  • fehlende PMCF-Dokumentation oder Fehlinterpretation der Daten,
  • Nichtkonformität des CER mit den Vorgaben von Anhang XIV MDR.

Solche Abweichungen können zu Zertifizierungsverzögerungen oder zur vollständigen Ablehnung der Unterlagen durch die Benannte Stelle führen.

Verknüpfung der klinischen Bewertung mit Technischer Dokumentation und PMS

Der CER muss mit der Technischen Dokumentation, der Risikoanalyse und dem PMS-/PMCF-Plan konsistent sein. Ein integrierter Prozess ermöglicht die zeitnahe Reaktion auf neue klinische Daten und die fortlaufende Aufrechterhaltung der Konformität.

Wie unterstützt Pure Clinical die klinische Bewertung von Medizinprodukten?

Pure Clinical bietet umfassende Unterstützung bei der klinischen Bewertung:

  • Erarbeitung einer Strategie für die klinische Bewertung,
  • Literaturreview und Auswahl geeigneter Vergleichsdaten,
  • Planung und Durchführung von klinischen Prüfungen,
  • Erstellung der PMCF-Dokumentation und des CER,
  • Unterstützung in der Kommunikation mit Benannten Stellen.

Wir bereiten die Unterlagen für Hochrisikoprodukte, innovative Lösungen und aktive implantierbare Produkte vor – konform mit der MDR und den aktuellen MDCG-Leitlinien.

FAQ

Worin liegt der Unterschied zwischen klinischer Bewertung und klinischer Prüfung?

Die klinische Bewertung ist der Analyseprozess klinischer Daten (einschließlich Literatur, PMS/PMCF, klinischer Prüfungen). Die klinische Prüfung ist eine dieser Datenquellen – also die empirische Erprobung des Produkts mit Teilnehmenden. Nicht jede Bewertung erfordert eine eigene Prüfung, aber jede durchgeführte Prüfung muss in der klinischen Bewertung berücksichtigt werden.

Wie häufig ist der Clinical Evaluation Report (CER) zu aktualisieren?

Mindestens alle 1–2 Jahre – abhängig von der Risikoklasse des Produkts und den Ergebnissen aus PMS/PMCF. Für Klasse-III-Produkte oder Implantate ist eine jährliche Aktualisierung verpflichtend.

Kann die klinische Bewertung ausschließlich auf Literaturdaten basieren?

Nur in Ausnahmefällen, wenn die vollständige Gleichwertigkeit zu einem anderen, gut dokumentierten Produkt nachgewiesen ist. In den meisten Fällen verlangt die MDR die Ergänzung von Literaturdaten durch eigene klinische Daten des Herstellers.

Muss die klinische Bewertung auch nach Erhalt der CE-Kennzeichnung fortgeführt werden?

Ja. Gemäß MDR ist die klinische Bewertung ein fortlaufender Prozess. Nach Erhalt der CE-Kennzeichnung muss der Hersteller PMCF-Maßnahmen (Post-Market Clinical Follow-up) durchführen, um Sicherheit und klinische Leistung unter realen Anwendungsbedingungen kontinuierlich zu überwachen.

Welche Fehler stellen Benannte Stellen in der klinischen Bewertung am häufigsten fest?

Häufig sind fehlende logische Herleitung zwischen Daten und Schlussfolgerungen, unzureichende Evidenz für neuartige Produkte, eine nicht regelkonforme Methodik der Literaturrecherche, fehlende regelmäßige Aktualisierungen sowie das Fehlen einer dokumentierten Qualifikation der bewertenden Person – alles potenzielle Gründe für die Ablehnung des CER.