Was ist die Marktüberwachung (PMS)?
Die Marktüberwachung (engl. Post-Market Surveillance, PMS) ist in den Verordnungen MDR (EU 2017/745) und IVDR (EU 2017/746) definierter Prozess zur systematischen, proaktiven Sammlung und Analyse von Daten über Qualität, Leistung, Sicherheit und Wirksamkeit eines Medizinprodukts oder In-vitro-Diagnostikums nach dessen Inverkehrbringen und Bereitstellung zur Verwendung. PMS ist ein zentrales Element des Qualitätsmanagementsystems des Herstellers und dient der kontinuierlichen Konformität des Produkts mit den grundlegenden Anforderungen sowie der frühzeitigen Erkennung von Risiken und Nichtkonformitäten.
Die Pflicht zur Einrichtung eines PMS-Systems obliegt jedem Hersteller von Medizinprodukten oder IVDs, unabhängig von der Risikoklasse. Gemäß Art. 83 MDR und Art. 78 IVDR muss das PMS dem Risikoprofil, der Komplexität, dem klinischen Anwendungsbereich und der Zielpopulation des Produkts entsprechen. Das implementierte PMS-System muss eine Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses auf Grundlage der tatsächlichen klinischen Anwendung ermöglichen.
Studien im Rahmen von Eudamed haben gezeigt, dass ein wirksames PMS-System das Risiko schwerwiegender Vorkommnisse im ersten Anwendungsjahr um bis zu 35 % senken kann. Wie Dr. Jürgen Steinbach, Experte für Medizinprodukte-Regulierung, betont: „Das PMS-System ist nicht nur eine rechtliche Pflicht – es ist ein zentrales Qualitätsinstrument, das Risiken früher erkennt als passive Systeme“.
Pflichten des Herstellers im Rahmen der Marktüberwachung
Der Hersteller ist verantwortlich für die Konzeption, Implementierung und Aufrechterhaltung des PMS-Systems in Übereinstimmung mit den geltenden rechtlichen und technischen Anforderungen. Dieses System muss dokumentiert, auditierbar und regelmäßig überprüft werden, um die kontinuierliche Konformität des Produkts mit den grundlegenden Anforderungen sowie den Schutz der Gesundheit von Anwendern und Patienten sicherzustellen.
Zu den Pflichten des Herstellers gehören:
- Erstellung und regelmäßige Aktualisierung des PMS-Plans gemäß Art. 84 MDR und Art. 79 IVDR,
- proaktive Sammlung und Analyse von Daten aus dem Markt, aus Fachliteratur, Datenbanken und Wettbewerbsbeobachtung,
- Erstellung von PMS-Berichten für Produkte der Klasse I oder zyklischen PSURs (Periodic Safety Update Report) für Produkte der Klassen IIa, IIb und III,
- Einleitung von CAPA-Maßnahmen (Corrective and Preventive Actions) auf Grundlage der Ergebnisse von PMS und Vigilanz,
- laufende Aktualisierung der Technischen Dokumentation, einschließlich Technischer Dokumentation, klinischer Bewertung (MDR) oder Leistungsbewertung (IVDR).
PMS-Plan (Post-Market Surveillance Plan)
Der PMS-Plan ist ein Dokument, das die Struktur und Mechanismen des PMS-Systems beschreibt und einen integralen Bestandteil der Technischen Dokumentation bildet. Gemäß Anhang III MDR/IVDR muss der PMS-Plan risikoadäquat sein und sich auf die Phase nach dem Inverkehrbringen des Produkts beziehen.
Erforderliche Elemente des PMS-Plans sind:
- Methoden zur Sammlung, Analyse und Interpretation von Marktdaten,
- Indikatoren zur Bewertung von Leistung und Sicherheit des Produkts (z. B. Anzahl unerwünschter Ereignisse pro 1000 Anwendungen),
- Beschreibung der Mechanismen zur Integration mit dem Vigilanzsystem,
- Verfahren zur Trendbewertung und Algorithmen für Frühwarnmechanismen.
PMS-Bericht (PMS Report)
Der PMS-Report und der PSUR (Periodic Safety Update Report) sind zentrale Dokumente zur Dokumentation und Berichterstattung der PMS-Ergebnisse.
Für Produkte der Klasse I ist ein auf Anfrage verfügbarer PMS-Bericht vorgeschrieben. Für Produkte der Klassen IIa, IIb und III ist die Erstellung zyklischer PSURs erforderlich (mindestens alle 2 Jahre für Klasse IIa und jährlich für Klassen IIb und III), die der Benannten Stelle und der zuständigen Behörde zugänglich sein müssen.
Der PSUR umfasst:
- Sammlung und Trendanalyse von PMS-Daten,
- Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses,
- Empfehlungen zur Aktualisierung der Technischen Dokumentation und Risikobewertung,
- Identifizierung notwendiger Korrekturmaßnahmen oder einer Marktrücknahme des Produkts.
Post-Market-Studien: PMCF und PMPF
Das Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) sowie das Post-Market Performance Follow-up (PMPF) dienen der Sammlung zusätzlicher klinischer und nutzungsbezogener Daten nach dem Inverkehrbringen des Produkts. Diese Verpflichtungen ergeben sich aus Anhang XIV MDR (PMCF) und Anhang XIII IVDR (PMPF).
PMCF-Studien – Medizinprodukte
Typische PMCF-Methoden sind:
- prospektive Beobachtungsstudien,
- Patientenregister (z. B. für Implantate),
- Analysen von Daten aus der klinischen Routinepraxis sowie PMCF-Berichte.
PMPF-Studien – IVD-Produkte
PMPF ist ein systematischer Ansatz zur Leistungsbewertung von IVD-Tests unter Routinebedingungen. Er betrifft insbesondere Produkte der Klassen C und D und dient der Bestätigung von Sensitivität, Spezifität und Reproduzierbarkeit der Testergebnisse.
PMPF-Studien können umfassen:
- Sammlung von Daten aus Routinelaboren,
- Audits zur Anwendung der Tests in verschiedenen Populationen,
- Analyse epidemiologischer Daten und Trends falsch-positiver/-negativer Ergebnisse.
System zur Analyse von Marktdaten
Das PMS-System muss Methoden zur Sammlung, Analyse und Validierung von Marktdaten beinhalten, die Qualität, Aktualität und Repräsentativität sicherstellen.
Datenquellen umfassen:
- Reklamationen von Endanwendern,
- Meldungen von Vorkommnissen an die zuständigen Behörden,
- wissenschaftliche Publikationen, systematische Reviews, Metaanalysen,
- Daten aus Produktregistern,
- Ergebnisse von internen und externen Audits.
Zusammenarbeit zwischen PMS und Vigilanz
Eine wirksame Integration von PMS und Vigilanz ermöglicht die schnelle Erkennung potenzieller Risiken und die Einleitung von Korrekturmaßnahmen. Diese Systeme müssen prozedural und technologisch kompatibel sein, insbesondere im Hinblick auf:
- kontinuierliches Monitoring unerwünschter Ereignisse (Serious Adverse Events),
- Meldung schwerwiegender Vorkommnisse und FSCA-Maßnahmen an Eudamed,
- Zusammenarbeit mit der Benannten Stelle bei schwerwiegenden klinischen Risiken.
Aktualisierung der Technischen Dokumentation durch PMS
Daten und Erkenntnisse aus PMS, PMCF und PMPF müssen konsistent in die Technische Dokumentation integriert und in konkrete Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden.
Dies umfasst:
- Aktualisierung der klinischen Bewertung (MDR) oder der Leistungsbewertung (IVDR),
- Überprüfung und Anpassung der Risikobewertung,
- Änderungen in Gebrauchsanweisungen und Kennzeichnung,
- Notifizierung der Benannten Stelle bei wesentlichen Änderungen.
Wie kann Pure Clinical bei der Marktüberwachung unterstützen?
- Erstellung und Aktualisierung von PMS-Plänen sowie Strategien für PMCF/PMPF gemäß den Anhängen der MDR und IVDR,
- Unterstützung bei der Erstellung und Analyse von PSURs, PMS-Berichten und Aktualisierungsdokumentationen,
- Organisation von Beobachtungsstudien und Patientenregistern im Rahmen von PMCF,
- Bewertung der Datenqualität und Integration der Vigilanzsysteme in das PMS,
- Vorbereitung der Dokumentation für die Benannte Stelle und zuständige Behörden.