Was ist ein nicht konformes Produkt nach MDR/IVDR?
Ein nicht konformes Produkt ist jedes Medizinprodukt oder In-vitro-Diagnostikum, das die Anforderungen der MDR 2017/745 oder IVDR 2017/746 nicht erfüllt. Dazu zählen fehlende CE-Kennzeichnung, Zweckentfremdung, Etikettierungsfehler oder unvollständige technische Dokumentation. Auch Produkte mit Verdacht auf Fälschung oder manipulierte Herkunft gelten als nicht konform. Ebenso nicht konform sind Produkte, die die GSPR-Anforderungen nicht erfüllen oder nach der Zertifizierung ohne aktualisierte Konformitätsbewertung verändert wurden – gemäß der Definition einer wesentlichen Änderung.
Pflichten des Importeurs und Distributors bei Verdacht auf Nichtkonformität
Stellt ein Importeur oder Distributor fest oder vermutet, dass ein Produkt nicht konform ist, muss er sofort handeln:
- den Vertrieb oder die Verwendung des Produkts stoppen,
 - den Hersteller sowie den bevollmächtigten EU-Vertreter informieren,
 - die Situation dokumentieren und das Produkt sichern,
 - bei Verdacht auf Fälschung oder Gesundheitsgefährdung – den Vorfall an den Präsidenten des URPL sowie an die zuständigen Behörden in den belieferten Ländern melden.
 
Diese Pflichten müssen gemäß den im Qualitätsmanagementsystem festgelegten Verfahren erfüllt werden; Korrekturmaßnahmen unterliegen der Überprüfung durch die PRRC.
Zusammenarbeit mit Hersteller und Aufsichtsbehörden
Befindet sich das Produkt bereits auf dem Markt, sind Importeur und Distributor verpflichtet, mit dem Hersteller und den Behörden zusammenzuarbeiten, um:
- die Konformität des Produkts zu überprüfen,
 - einen Rückruf oder eine Marktentnahme durchzuführen, falls erforderlich,
 - den gesamten Prozess der Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (FSCA) zu dokumentieren.
 
Diese Maßnahmen müssen im Einklang mit MDCG 2023-3 stehen und den Nachweis von CAPA-Umsetzungen sowie deren Wirksamkeit enthalten, bewertet im Rahmen eines internen Audits.
Schwerwiegende Vorkommnisse – wie vorgehen?
Ein schwerwiegendes Vorkommnis ist jeder Fall, der zu Tod, Lebensgefahr oder schwerer Gesundheitsverschlechterung eines Patienten geführt hat oder hätte führen können. Der Distributor oder Importeur ist verpflichtet, den Hersteller oder dessen Vertreter unverzüglich zu informieren – unabhängig davon, ob der Vorfall bereits gemeldet wurde. In der Praxis sollte jedes schwerwiegende Vorkommnis im QMS analysiert werden, um mögliche Anpassungen in PMS- und Vigilance-Prozessen vorzunehmen.
Umfang der bei der Meldung eines Vorkommnisses erforderlichen Daten
Gemäß Art. 48 des Gesetzes über Medizinprodukte vom 7. April 2022 muss eine Vorfallmeldung enthalten:
- Datum und Ort des Ereignisses,
 - klinische Patientendaten: Geschlecht, Alter, Körpergewicht,
 - Beschreibung der Folgen und durchgeführten medizinischen Maßnahmen,
 - Produktidentifikation: Modell, Seriennummer, UDI, Herstellungsdatum, Version,
 - Informationen zum Lagerort des Produkts am Meldetag,
 - Daten des Produktanwenders (Fachkraft, Patient, Dritte),
 - Kontaktdaten von Hersteller, Distributor, Importeur und meldender Person.
 
Alle Daten müssen gemäß MDR/IVDR gespeichert und den nationalen Behörden sowie der Benannten Stelle auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Beschwerde- und Vorfallsregister – Dokumentationspflicht
Gemäß MDR, IVDR und nationalem Recht müssen Distributoren und Importeure ein eigenes Register führen:
- von Nutzer- und Patientenbeschwerden,
 - von Meldungen nicht konformer Produkte,
 - von Vorfällen und Reklamationen seitens medizinischer Einrichtungen und Kunden.
 
Dieses Register muss in das Qualitätsmanagementsystem integriert und dem Hersteller auf Anfrage zugänglich gemacht werden. Das Fehlen eines Registers oder dessen Nichtbereitstellung kann zu Geldstrafen und behördlichen Entscheidungen des URPL führen. Eine Integration des Registers in PMS-Verfahren und die Dokumentation der Marktüberwachung ist empfehlenswert.
Neue Pflichten ab 2025 – Aktualisierung des Nichtkonformitätsprozesses
Die EU-Verordnung 2025/1021 führt mehrere Änderungen für den Umgang mit nicht konformen Produkten ein:
- verpflichtende Nutzung der funktionsfähigen EUDAMED – Module bei der Meldung von Nichtkonformitäten,
 - ein standardisiertes Format für das Nichtkonformitätsregister, gültig ab Januar 2026,
 - erweiterte Befugnisse nationaler Behörden, den Marktvertrieb auszusetzen oder Produkte zurückzurufen, wenn ein Risiko für die öffentliche Gesundheit festgestellt wird.
 
Daher ist es notwendig, interne Verfahren zur Nichtkonformität zu aktualisieren und die Übereinstimmung mit den neuen EUDAMED- und MDCG-Meldeformaten sicherzustellen.
Häufigste Fehler im Umgang mit nicht konformen Produkten
Zu den häufigsten Fehlern gehören:
- Ignorieren von Meldungen durch Endnutzer,
 - fehlende sofortige Marktrücknahme-Prozedur,
 - keine formale Meldung des Vorfalls an Hersteller oder URPL,
 - kein standardisiertes Meldeformular und keine Eskalationsprozedur,
 - unzureichende Risikoanalyse – nicht im Einklang mit ISO 14971.
 
Das Fehlen einer Einbindung der PRRC in die Vorfallsanalyse und die Nichteinhaltung des CAPA-Verfahrens stellen schwerwiegende regulatorische Verstöße dar, die sanktioniert werden können.
Wie unterstützt Pure Clinical beim Umgang mit nicht konformen Produkten?
Pure Clinical bietet umfassende Unterstützung im Bereich der operativen und regulatorischen Compliance:
- Audit der Verfahren für den Umgang mit nicht konformen Produkten sowie der Vorfallsregister,
 - Entwicklung und Implementierung harmonisierter Meldevorlagen,
 - Schulungen für QA/RA-, Import- und Vertriebsteams zu den Pflichten gemäß MDR und IVDR,
 - Unterstützung bei URPL-Kontrollen und Audits der Benannten Stellen,
 - Überprüfung der Register auf Übereinstimmung mit den neuen Anforderungen von EUDAMED und MDCG 2023-3.