Was ist die Haftpflichtversicherung für Hersteller von Medizinprodukten?
Die Produkthaftpflichtversicherung für Hersteller von Medizinprodukten schützt vor zivilrechtlicher Haftung für Personen- und Sachschäden, die durch das Produkt verursacht werden. Im Falle eines Vorfalls deckt sie die Kosten für Ansprüche von Patienten, medizinischen Einrichtungen und Aufsichtsbehörden. Die Police ist ein wesentliches Element des operativen Risikomanagements. Der Nachweis über die finanzielle Absicherung sollte in der QMS-Dokumentation verfügbar sein und unterliegt der Aufsicht der für die Regulierungskonformität verantwortlichen Person (PRRC).
Versicherungspflichten nach MDR und IVDR
Gemäß Art. 10 Abs. 16 MDR und Art. 10 Abs. 15 IVDR muss jeder Hersteller eine ausreichende finanzielle Absicherung gewährleisten, die proportional zum Risiko, zur Klasse des Produkts und zum Umsatz ist. Diese Pflicht gilt auch für custom-made-Produkte. Obwohl die Verordnungen nicht ausdrücklich eine Haftpflichtversicherung vorschreiben, stellt sie eine praxisnahe Möglichkeit zur Erfüllung dieser Anforderung dar. In MDCG 2022-16 wird die Bedeutung einer angemessenen Versicherung als Voraussetzung für das Vertrauen der Benannten Stelle in die Fähigkeit des Herstellers, die zivilrechtliche Haftung zu managen, hervorgehoben.
Deckungsumfang der Produkthaftpflichtversicherung
Die Versicherung sollte Folgendes abdecken:
- Schäden, die durch das Produkt aufgrund von Mängeln oder Konstruktionsfehlern verursacht werden,
- Kosten von Gerichtsverfahren, Vergleichen und Entschädigungen,
- Ansprüche, die sich aus vorhersehbarer, aber unsachgemäßer Anwendung des Produkts ergeben.
Empfehlenswert sind Zusatzklauseln für aktive und implantierbare Produkte, IVD der Klasse D sowie den Export in Hochrisikojurisdiktionen (z. B. USA, Kanada, Asien).
Arten von Versicherungen für Hersteller von Medizinprodukten
Die gängigsten Policen für Hersteller sind:
- Produkthaftpflichtversicherung – deckt Schäden ab, die durch das Produkt nach dem Inverkehrbringen verursacht werden,
- Betriebshaftpflichtversicherung – sichert Produktions-, Verpackungs- und Transporttätigkeiten ab,
- Rechtsschutzversicherung – übernimmt die Kosten der Rechtsverteidigung bei Streitigkeiten,
- Zusatzklauseln – z. B. Export außerhalb der EU, Hochrisikoprodukte oder Implantate.
Für Hersteller außerhalb der EU gilt zusätzlich die Registrierung als Wirtschaftsakteur in EUDAMED, deren Vollständigkeit u. a. von den Finanzdokumenten abhängt.
Rolle der Versicherung im MDR-Audit
Die Benannte Stelle kann im Rahmen der Konformitätsbewertung die Vorlage einer aktuellen Versicherungspolice verlangen. Die Versicherungsdokumentation sollte als Bestandteil der finanziellen Absicherung in die Technische Dokumentation integriert sein. Bei Zusammenarbeit mit internationalen Stellen wird eine englischsprachige Version der Dokumente empfohlen. Auditoren können zudem prüfen, ob die Versicherungssumme dem deklarierten Produktrisiko und der ISO-14971-Dokumentation entspricht.
Haftung in der Lieferkette und Versicherungspflicht
Gemäß Art. 11 MDR haftet der Bevollmächtigte Vertreter eines Herstellers außerhalb der EU gesamtschuldnerisch für das Produkt. Händler und Importeure sind nicht verpflichtet, eine eigene Versicherung abzuschließen, können jedoch zivilrechtlich für Handlungen oder Unterlassungen wie unsachgemäße Lagerung, Transport oder fehlende Reaktion auf Vorfälle haftbar gemacht werden. In der Praxis werden zunehmend Versicherungserweiterungen gefordert, die die Tätigkeiten des EU-Bevollmächtigten sowie Regressklauseln zwischen den Akteuren der Lieferkette abdecken.
Folgen fehlender finanzieller Absicherung
Das Fehlen einer Haftpflichtversicherung kann führen zu:
- Ablehnung oder Aussetzung der MDR-/IVDR-Zertifizierung,
- voller zivilrechtlicher Haftung des Herstellers aus dem Firmenvermögen,
- Verlust des Vertrauens der Benannten Stellen und Geschäftspartner,
- Verstoß gegen Art. 10 MDR/IVDR, was zu Verwaltungssanktionen und Marktrücknahmen führen kann.
Im Falle eines Vorfalls verhindert das Fehlen einer Versicherung die wirksame Durchführung von FSCA-Maßnahmen und kann zur Pflicht führen, Produkte auf Kosten des Herstellers zu vernichten.
Wie wählt man die richtige Versicherungspolice?
Die Auswahl der Police sollte auf der Analyse der Produktklasse, seiner Funktion, des Verkaufsumfangs und der Zielmärkte basieren. Dabei sollte berücksichtigt werden:
- Historie von Beschwerden und Vorfällen,
- ob das Produkt aktiv, implantierbar oder für Hochrisikopopulationen bestimmt ist,
- geografischer Geltungsbereich – EU, USA, UK, Asien,
- Vertragskonformität mit den Anforderungen aus MDR/IVDR.
Die Analyse sollte im Qualitätsmanagementsystem dokumentiert werden, z. B. als Teil des Management Reviews und der Lieferantenbewertung für Finanzdienstleister.
Wie unterstützt Pure Clinical Hersteller bei der finanziellen Absicherung?
Pure Clinical unterstützt Hersteller bei der Umsetzung der Anforderungen gemäß Art. 10 MDR und IVDR durch:
- Auswahl und Verhandlung von Haftpflichtversicherungen, die auf Klassifizierung und Zweckbestimmung abgestimmt sind,
- Risikobewertung nach ISO 14971 und Integration in die technische Dokumentation,
- Erstellung von Nachweisen zur finanziellen Absicherung für Auditzwecke,
- Schulungen für RA/QA-Teams zum Thema Versicherung als Bestandteil des QMS,
- Prüfung der Policenkonformität mit den Anforderungen von MDCG 2022-16 sowie der Benannten Stellen.